Dokumentation bewegender Schicksale aus Ost- und Westpreußen

Unter den Standesamtsurkunden (1874-1945) aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten befinden sich Dokumente, die dramatische Momente des zweiten Weltkriegs festhalten und nun erstmals digitalisiert für jedermann zugänglich sind:

Der erste Tote des Zweiten Weltkrieges: Franciszek Honiok

Franziszek HoniokEnde August 1939 soll eine Reihe von Scheinattacken auf deutsche Einrichtungen und Zollstationen durch vermeintlich polnische Rebellen den anschließenden deutschen Überfall auf Polen rechtfertigen. Eines der Ziele war der deutsche Rundfunksender Gleiwitz. Männer der SS überfallen den Sender und verkünden, er sei nun „in polnischer Hand”. Als Beweis für die polnische Attacke wird ein Leichnam, angeblich einer der Angreifer, zurückgelassen: Franciszek Honiok. Der öffentlich mit Polen sympathisierende, 1899 in Lubie (Hohenlieben) geborene Landmaschinenvertreter, wurde am Vortag verhaftet und verstarb während der Attacke auf den Sender: Der Zweite Weltkrieg hatte sein erstes Opfer gefordert. In der Sammlung des Standesamt 1 findet sich die Geburtsurkunde von Franciszek Honiok.

 

Angriff auf polnisches Postamt in Danzig: Der Beginn des 2. Weltkrieges

Auch der eigentliche Beginn des Zweiten Weltkrieges ist durch diverse Sterbeurkunden in den Dokumenten des Standesamt 1 dokumentiert. Am 1. September 1939 greift Deutschland Polen an. Unter anderem ein Postamt in Danzig, das den polnischen Verteidigern als Munitionslager dient. Nach mehreren Versuchen seitens der Deutschen, das Amt einzunehmen, ergeben sich die überlebenden Verteidiger schließlich. Bei dem Angriff, Teil der ersten Kampfhandlungen des 2. Weltkrieges, werden acht Menschen getötet, sechs weitere sterben kurz darauf im Krankenhaus. Darunter auch Erwina Barczykowski, die zehnjährige Pflegetochter des Hausmeisters. Ihre Sterbeurkunde findet sich in den Aufzeichnungen des Berliner Standesamtes, genauso wie die der 38 zum Tode verurteilten Gefangenen. Sie wurden am 5. Oktober 1939 erschossen. Die Todesursache in den Urkunden besagt „wegen Freischärlerei (kämpfen außerhalb eines militärischen Verbundes) hingerichtet”.

Erwina_Barczykowski_Sterbeurkunde Wladyslaw_Kupka_Sterbeurkunde

Abb. 1: Die Sterbeurkunden von Erwina Barczykowski (links) und von Wladislaus Kupka (rechts), einem der 38 Verurteilten aus Danzig.

Der Untergang der „Wilhelm Gustloff”

gustloff_quadratisch_200x200pxEbenfalls durch die Urkunden bezeugt wird die größte bekannte Seefahrtskatastrophe eines Einzelschiffs: Der Untergang der „Wilhelm Gustloff”. Einst für Kreuzfahrten gebaut, diente es während des Zweiten Weltkrieges hauptsächlich als schwimmende Kaserne im Hafen von Gdingen / Gotenhafen (dem heutigen Gdynia). Als die Rote Armee gegen Ende des Krieges immer weiter vorrückt und Millionen Flüchtlinge versuchen auf dem Seeweg zu entkommen, wird es als Rettungsschiff eingesetzt. Am 30. Januar 1945 treten über 10.000 Menschen die Flucht an Bord der „Gustloff” an. Wenig später kommt es zur Tragödie. Von drei Torpedos getroffen, sinkt das Schiff zwischen Leba und Stolpemünde, über 9.000 Menschen sterben. Eine Reihe von Sterbeurkunden aus der Berliner Sammlung dokumentieren die Katastrophe. Die Identitäten vieler Opfer sind aber bis heute ungeklärt, da durch die unübersichtliche Situation im Hafen von Gdingen viele der Passagiere nicht mehr offiziell registriert wurden.

Günter Grass

Eng mit den Geschehnissen der Zeit verbunden sind auch Werke des deutschen Schriftstellers Günter Grass. Sein Roman „Die Blechtrommel” thematisiert den Überfall auf das Danziger Postamt, sein Roman „Im Krebsgang” den Untergang der „Wilhelm Gustloff”. Auch eine persönliche Verbindung zu der Region und der Sammlung lässt sich finden: Die Urkunden des Standesamts I enthalten die Heiratsurkunde der Eltern.