Die viktorianische Schriftstellerin George Eliot (mit bürgerlichem Namen Mary Anne Evans) schrieb einst: „Unsere Toten sind niemals wirklich tot für uns, solange wir sie nicht vergessen“. In Jennifer Greys Familie allerdings war die Identität der Urgroßmutter über eine einzige Generation hinweg verloren gegangen. Mit der amerikanischen TV-Sendung Who Do You Think You Are?  versuchte Jennifer, diese Vorfahrin wieder ins Gedächtnis der Familie zurückzurufen.

Die Aufzeichnungen von Juden vor ihrer Emigration aus Osteuropa gelten oft als unauffindbar. Natürlich gingen in Kriegen, Naturkatastrophen und vor allem durch die gezielte Zerstörung jüdischer Gemeinden unzählige Unterlagen verloren – aber Millionen Aufzeichnungen gibt es eben immer noch.

Eine der größten Schwierigkeiten besteht darin, den ursprünglichen Wohnort in Osteuropa und die Namen herauszufinden, die die Vorfahren vor ihrer Auswanderung trugen.

Aus Passagierlisten erfuhr Jennifer, dass ihr Großvater Israel (in den USA Izzy genannt) Brower 1907 aus dem russischen, heute ukrainischen Yampol, auswanderte. Begleitet wurde der 16-jährige Izzy von seinen Geschwistern Rose (18), Cheskel (14) und Taube (9). Sie waren auf dem Weg zu ihrem Vater, Shulim Brower, in Brooklyn, New York.

Was geschah mit Izzys Mutter? Warum reisten die Kinder ohne die Begleitung eines Erwachsenen? War ihre Mutter bereits in den USA? War sie in Europa verstorben?  Wie hieß sie überhaupt? Jennifers Mutter – Izzys Tochter – wusste es nicht.

Es sollte viel Zeit und Geduld in Anspruch nehmen, das Schicksal von Izzys Mutter ans Licht zu bringen. Wie bei den meisten jüdischen Einwanderern wurden die Namen nach der Ankunft amerikanisiert.  Cheskel wurde zu Charlie, und Taube zu Tillie. Shulim hieß ab sofort Solomon. Bei der Volkszählung 1910 wurden erstmals nach Ankunft der Kinder alle Familienmitglieder erfasst.  Nach diesen Angaben war Solomon verwitwet. Wann und wo war aber seine Frau gestorben? Laut Volkszählung waren Solomon und ein älteres Kind, William, bereits 1906 und somit ein Jahr vor den übrigen Kindern in den USA angekommen.

Um weitere Informationen über die Familie und vor allem über Izzys Mutter zu bekommen, wurden unzählige Dokumente in den USA durchforstet. Immerhin ist „Brower“ kein sehr gängiger Name.

Die Familie lebte in Brooklyn, New York. Unter anderem wurden die folgenden Aufzeichnungen durchsucht:

  • Passagierlisten von Ellis Island
  • Volkszählungen
  • Unterlagen der Apothekerschule Brooklyn
  • Einzugslisten aus dem Ersten Weltkrieg
  • Wählerlisten

Anhand der Aufzeichnungen musste man vermuten, dass die Mutter in Europa verstorben war. Die sich nun dort anschließenden Nachforschungen waren viel aufwendiger. Es ist oft schwierig, Unterlagen jüdischer Gemeinden in Europa zu finden. Viele Dokumente und standesamtliche Unterlagen haben die zahlreichen Kriege und anderen Katastrophen, wie Brände und Überflutungen, nicht überlebt. Im staatlichen Archiv der ukrainischen Stadt Winnyzja fanden sich Unterlagen zu Yampol, das vor dem Ersten Weltkrieg zur russischen Region Podolien gehört hatte. Hier ruhte die Todesurkunde von Izzys Mutter. Nach dieser Urkunde lautete ihr Name Sheyndl, und sie lebte im podolischen Dzygovka.

Die standesamtlichen Unterlagen der jüdischen Gemeinden sind meistens, so auch hier, doppelseitig. Die Seite links ist auf Russisch, die Seite rechts auf hebräisch.  Die russischsprachigen Aufzeichnungen sind in kyrillischer Schrift, Jiddisch und Hebräisch hingegen im hebräischen Alphabet verfasst. Unter Punkt acht des Sterberegisters war der tragisch frühe Tod von Izzys Mutter verzeichnet.  Nach den Unterlagen war Sheyndl, die Frau von Shulim Browerman, aus Dzygovka am 27. August 1897 in Yampol im Alter von fünfunddreißig Jahren im Wochenbett gestorben. Wahrscheinlich war sie bei der Geburt von Taube verstorben, die 1907 neun Jahre alt war, als sie mit ihren Geschwistern in die USA übersiedelte.

Izzy, sein Vater und seine Geschwister nannten sich in den USA Brower, zuvor hatte ihr Familienname Browerman gelautet. Vielleicht hat sich Shulim, der als Erster angekommen war, bereits Brower genannt, was die Kinder nach ihrer Ankunft einfach übernahmen. Dies machen viele Einwanderer, wenn bei ihrer Ankunft bereits ein Familienmitglied im Land ist.

Wie die Suche nach der Urgroßmutter von Jennifer Grey zeigt, ist die Suche nach Aufzeichnungen jüdischer Gemeinden nicht aussichtslos. Eine solche Suche weckt Emotionen und ist sehr erfüllend.  Im Falle von Jennifer konnte ihre Urgroßmutter, deren Name im Laufe der Zeit verloren gegangen war, wieder ins Gedächtnis der Familie zurückgerufen werden, wo sie noch für Generationen weiterleben wird.